Innovationsmanager: Alles nur verkappte Ruhigstellungsbeauftragte?
Dass die Wirtschaft wirklich boomt merkt man nicht zuletzt daran, dass IT, Marketing und Innovationsmanagement wieder mit anständigen Budgets bedacht werden. Beim Thema Innovation scheinen die 2011er Etats sogar so opulent ausgefallen zu sein, dass Innovationsmanager allerorts, so mein subjektiver Eindruck, wie Pilze aus dem feuchten Waldboden schießen.
Eigentlich gut so, sollte man meinen. Denn schließlich sorgen Innovationsmanager ja im Zusammenspiel mit vielen anderen Unternehmensbereichen für Produkte und Services, die vom Kunden nicht einfach nur als neu empfunden werden, sondern die echte, nachhaltige Anbieterpräferenz beim Kunden erzeugen. Genau darum geht´s ja beim Innovieren – in Abgrenzung zu Wissenschaft und Forschung auf der einen und KVP und „betrüblichem” Vorschlagswesen auf der anderen Seite. Aber ist das wirklich so?
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Führt mehr Innovationsmanagement ursächlich zu einem Plus an kundenrelevanten Neuerungen?
Oder wird das Pferd nicht zunehmend von hinten aufgezäumt, indem der Vorgang des Verwaltens vor die Innovation und das Normieren von Prozessen vor die Kundenwünsche gestellt wird. Gerade so wie in der neuen DIN 77224 zur „Erzielung von Kundenbegeisterung durch Service Excellence” [!].
Nun, Fakt ist jedenfalls, dass mir in den letzten Monaten immer mehr Zeitgenossen mit stolzgeschwellter Brust über ihre erfolgreich „aufgesetzten“ Innovationsprozesse berichten. Darunter der ein oder andere höchst ausgeklügelte Projektverwaltungsakt, bei dem es längst nicht mehr darum geht, innovativ zu bleiben oder womöglich noch innovativer zu werden, sondern darum, Entscheidungen abzusichern und Neues so in den Betriebsalltag zu integrieren, dass man den internen Verfechtern des Alten bloß nicht auf die Füße tritt.

Bilder von erfolgreich aufgesetzten Prozessen sind rar. Deshalb hier mal eines von erfolgreich aufgesetzten Beeren.
Gerade letzteres scheint immer mehr zum vorrangigen Ziel allen Managens zu werden – wider jeder schumpeterschen Dynamik und bar jeden Verstehens, was Apple eigentlich so erfolgreich macht. Denn hätte Steve Jobs beim iPhone auf die Traditionalisten gehört und den internen Wohlfühl-Konsens gesucht, dann würden wir noch immer von unseren Unsmart-Phones zwangsbenutzergeführt. (Wer keine Apple-Beispiele mehr mag, der möge sich einfach mal die Frage stellen, warum seine Küchenoberschränke da hängen bleiben, wo sie hängen bleiben sollen —> Fischer!)
Wie wichtig das Politisieren beim Innovieren ist, bestätigen auch Prof. Dr. Jens O. Meissner und sein Kollege Martin Sprenger von der Hochschule Luzern im Beitrag auf der 3M-Plattform für Innovationskultur: » … Über alles hinweg ähnelt das Rollenspiel des Innovationsmanagers dem eines „Innovationspolitikers“ im Unternehmen, der Mehrheiten organisieren muss, um die neue Idee umzusetzen. … Insbesondere die Fähigkeit zum Umgang mit Macht und Veränderung ist es – und das ist das eigentliche Dilemma – die in den meisten Ausbildungen zum Innovationsmanagement nicht ausreichend vermittelt wird. … «
Dass bei all dem Organisieren und Harmonisieren, Schmackhaft-Machen und Nivelieren, Taktieren und Paktieren schon mal Wesentliches auf der Strecke bleibt – etwa das beharrliche Fördern des kontinuierlichen Ideen-Nachschubs – ist bedauerlich aber im Prinzip unkritisch. Dafür gibt´s schließlich den großen Mitarbeiter-Ideenwettbewerb oder (noch viel besser) den guten, alten Hauruck-Innovations-Workshop. Mit dem bringen Innovations- und HR-Management 6 bis 12 engagierten Kollegen dazu, binnen zwei Tagen 99 Innovationsansätze auf Flipcharts zu pinnen. So viele gute Ideen reichen dann meistens für mehrere Jahre und für eine nachhaltige Beruhigung des allgemeinen Innovationsgewissens. Und wer dennoch nachfragt, was denn aus den mit Herzblut erarbeiteten Ideen vom vorletzten Jahr geworden ist, dem erklärt man einfach die aufgesetzten Prozesse. Das lehrt ideenaufmüpfige Kollegen Demut und sorgt für die gewünschte Ruhe im Innovations-Karton.
So gesehen geht es wohl in einigen Fällen gar nicht mehr darum, Innovationen zum Wohle der Kunden und zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition möglich zu machen. Es geht primär darum, Neues intern verträglich zu machen. Messlatte für die Güte einer Innovation ist nicht der Kunde, von dem man lebt und den man mit Innovationen an Unternehmen oder Marke binden will, sondern die internen Befindlichkeiten der geschätzten Kollegen. Und die haben gerade in einer wirtschaftlichen Boom-Phase die besten Argumente, alles fein und artig beim Alten zu belassen. Eine Verstärkung des Innovationsmanagements macht ein Unternehmen also nicht ursächlich innovativer, erzeugt aber garantiert mehr interne Behaglichkeit bei der Beschäftigung mit dem Neuen. Innovationsmanager laufen somit tatsächlich Gefahr, zu Ruhigstellungsbeauftragten zu werden.
Ob sie sich in dieser Rolle allerdings wohl fühlen, wage ich zu bezweifeln. Denn im Prinzip sind Innovationsmanager Idealisten – wenigstens die ersten ein, zwei Jahre ihrer beruflichen Entwicklung. Danach stellen viele fest, dass man als Innovationsmanager zwar theoretisch einen maximal spannenden Job, aber praktisch nur eine minimale Karrierechance hat. Schließlich sitzt man systembedingt zwischen allen Stühlen. Zum Beispiel, weil aus R&D-Sicht von außen eingebrachten Ideen grundsätzlich nur wertvolle Manpower bei der Perfektionierung des Bestehenden blockieren. Weil man aus Marketing-Sicht seine Daseinsberechtigung darin sieht, die kleinen Schönheitsfehler aktueller Produkte und Services so hübsch wie möglich zu übertünchen. Weil man aus Vertriebssicht lieber auf ein bekanntes, manchmal suboptimales Angebot setzt – Hauptsache, es bietet eine verlässlich kalkulierbare Provisionen. Oder auch deshalb, weil man als Spitzenkraft gar keine Zeit mehr für das Möglichmachen von Innovationen hat. Jedenfalls dann nicht, wenn sich der Tagesablauf einer solchen „ranghohen Führungskraft”, wie Tim Linde unlängst in der Financial Times Deutschland schrieb, in drei gleich große Teile gliedert: „Angriffe abwehren, selber angreifen und schließlich die eigentliche Arbeit inhaltlich erledigen.” (FTD-Artikel Seite 2, vorletzter Absatz)
Mit anderen Worten: Innovationsmanager sind dann Ruhigstellungsbeauftragte, wenn die oberste Führungsebene die direkte Verantwortung für Innovationskraft und -kultur des Unternehmens ans Middlemanagement abschiebt, anstatt selbst zu führen. Beispielsweise, indem man seine Tagesablauf nicht nur in drei, sondern vielleicht mal in vier Teile gliedert: Angriffe abwehren, selber angreifen, eigentliche Arbeit erledigen und innovativ sein. Oder vielleicht noch besser, indem das Möglichmachen von Innovationen bei den jährlichen Zielvereinbarungsgespräch bewertet wird. Und zwar top-down auf Vorstands-Level beginnend. Damit würde dann recht schnell klar, dass das simple Einstellen von noch mehr Innovationsmanagern noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann.
Und jetzt noch ein kleines Schmankerl von Professor Peter Kruse mit echter Wirk-Garantie ;-))
8 Regeln für den völligen Stillstand
Hallo Andreas!
Ich finde, Du hast recht. Nach meiner langen Erfahrung mit Kunden habe ich den Eindruck, dass auch wir ”professionell” Kreativen oft zum Liefern von Ideen und Innovationen aufgefordert werden, ohne dass es dem Auftraggeber klar ist, dass Innovationen mehr als ”nett” und ”interessant” sind, sondern dass Sie auch wirklich zu Veränderungen führen können, die im ganzen Unternehmen zugelassen und unterstütz werden müssen.
Große Ideen brauchen nicht nur Raum um gedacht zu werden, sondern auch den uneingeschränkten Willen für deren Umsetzung.
Gruß
Klaus
Das Innovationsmanagement sollte aus meiner Sicht in jedem Fall von der obersten Führungsebene als eine der zentralen Herausforderungen angenommen und unterstützt werden, damit die Initiative auch tatsächlich Innovationen hervorbringt – der Innovationsmanager spielt dabei immer eine entscheidende Rolle.
Zwei Beispiele, die dies verdeutlichen:
Erfolgreich mit “Guerilla-Taktik” – Von der Idee zum Produkt
Im Interview erläutert der Innovationsmanager von Bernina unter anderem, warum sich das Unternehmen vor einigen Jahren dafür entschieden hat, die Stelle des Innovationsmanagers zu schaffen und welchen Erfolg Bernina dadurch verzeichnen konnte.
http://bit.ly/kxTdBF
WD-40 Company – Hier sind alle innovativ (auch der CEO)
Das folgende Video zeigt, wie der CEO mit ins Boot geholt wurde, damit alle im Unternehmen die Innovationsinitiative als Chance, zur Entwicklung des Unternehmens beizutragen, begreifen. Auch hier ist der Erfolg auf das Engagement der Innovationsmanagerin zurückzuführen.
http://bit.ly/jvcQHD
@Patrick: Da bin ich ganz bei dir. Innovationen funktionieren nur mit ständiger Rückendeckung der obersten Führungsebene – und mit massiver interner Kommunikation. Denn ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter nicht glauben, dass ihre Ideen wirklich gefragt sind; die „Initiative“ des Vorstandes also eher als temporäres Problem abgetan wird.
Hallo
ich werde nächstens einen Innovations Workshop angehen und ich habe mal so einen Witz gesehen den ich zeigen wollte. Das war so ein aufgehängter Reifen und so ca. 6 Bilder dazu, jedesmal ein bisschen anderst. Gestartet irgendwie bei Was der Kunde wollte, Was der Vekauf verkaufte, dann was Marketing beworb, dann was die produktion produzierte etc. etc., das 1. Bild was der Kunde wollte und das letzte Bild was der Kunde bekam, waren dann natürlich völlig anderst….
Hat jemand diese Geschichte als Bidlfolge?
beste Güsse John Zoellin
j.zoellin@bluewin.ch
Hallo John,
vielleicht hast Du dieses Bild gemeint: http://www.flickr.com/photos/cappellmeister/5921913/
Grüße
Thorsten
Lieber Zoellin,
da kann ich dir leider nicht helfen. Aber vielleicht kannst du mit den folgenden Alternativen was anfangen:
http://tomfishburne.com/2006/06/death-by-a-thousand-cuts.html
Immer wieder schön…das Filmchen :-)
Innovationsmanager haben es tatsächlich oft schwer, und der anfängliche Idealismus wird zwischen Unternehmensbürokratie und -politik zerrieben.
Der Blogbeitrag Fünf Märchen der Innovationsfähigkeit beschäftigt sich mit dem selben Thema.
Danke Graham für den in der tat lesenswerten Link.