Links 02/11: Heute alles über Gedöns

Es ist ja nichts Neues, dass Innovationen hin und wieder daran scheitern, dass sie mit alten Messstäben bemessen werden – um eigene Pfründe zu sichern, aus schlechter Erfahrung oder einfach nur mangels Phantasie. Neu hingegen war mir, dass genau wegen eines solchen Mangels an Vorstellungsvermögen Alexander Graham Bell als Erfinder des Telefons gilt und nicht der Deutsche Philipp Reis, der sowohl das Gerät als auch das Wort „Telephon“ erfunden hat. 14 Jährchen früher als Herr Bell und wunderbar bei einestages nachzulesen. Die Begründung der seinerzeit urteilenden Wissenschaftler: Nette, aber ziemlich unnütze Spielerei. Mit anderen Worten Gedöns, womit wir beim Thema der heutigen (halbjährlichen wäre bei meiner Blogfrequenz wohl treffender) Linksammlung wären.

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1. SIRI-TV?

Als vor wenigen Wochen anstatt eines grundlegend neuen iPhone 5 „bloß“ ein iPhone 4s auf den Markt kam, war die Enttäuschung groß – zumindest bei der Höher-Weiter-Schneller-Fraktion. Denn der fehlte ein neue Design, ein größeres Display, ein Prozessor der nicht doppelt, sondern möglichst dreimal so schnell ist und natürlich die seit Jahren geforderte, voll integrierte Nasenhaartrimmer- und Espresso-App. Nachdem diese „kritischen“ Stimmen ob der rasanten Vorbestellungen der Apple-Kundschaft ein wenig an Gehör verloren, tauchten kurz darauf die ersten Siri-Sprüche auf. Besonders nette Antworten, welche die neue, im iPhone integrierte Sprachsoftware „Siri“ auf Fragen der iPhone-Besitzer gibt – nicht als auswendig gelernte Steuerbefehle, sondern als frei gesprochener Klartext. Zusätzlich zur Siri-Software mehren sich dieser Tage erneut die Gerüchte, dass Apple ein eigenes TV-Gerät auf den Markt bringt – vielleicht mit Sprachsteuerung aber hoffentlich nicht so.

Über beides, Apple-TV und Siri, wird zur Zeit eher aus der Gadget- bzw. Gedöns-Perspektive berichtet. Deshalb hier einmal die durchaus ernst gemeinte Frage: Was wäre denn, wenn Apple es tatsächlich schafft, Fernsehen (klassisch plus Internet, versteht sich) ganz intuitiv per Sprache steuerbar zu machen? Nun, dann hätte Apple einfach mal eben die Tastatur abgeschafft. Nicht etwa über all die Spezialisten, die Innovationen immer noch nach Taktfrequenz und Arbeitsspeicher zu messen versuchen, sondern über die viel größere Gruppe derer, die Technik nur dann interessiert, wenn sie hilft oder Spaß bereitet.  Also z. B. über Millionen von Fernseh-Nutzern.

Unwahrscheinlich? Glaube ich nicht, wenn man bedenkt, was Apple in den letzten paar Jahren schon alles im Sinne ultimativer Einfachheit abgeschafft hat:

  • Mit dem iPhone endete die fremdbestimmte „Benutzerführung“ (dazu ebenfalls TheEuropean)
  • Mit dem Mac App Store wurde die DVD als Datenträger obsolet – sogar für´s komplette Betriebssystem.
  • iTunes ersetzt Musik- und Video-DVDs. Und zwar so gründlich, dass wir privat seit fast zwei Jahren keinen DVD-Player mehr haben und brauchen.
  • Und die neue iCloud macht iTunes als zentrales Sammel- und Synchronisations-Tool für Musik, Apps und Bücher, Filme, TV-Serien, Spiele und sogar für Vorlesungs-Skripte Schritt für Schritt überflüssig.

Da traue ich Apple ohne weiteres die nächste Revolution zu: Die umfassende Sprachsteuerung von Computern bzw. Programmen. Nicht über die professionell leidensfähigen Administratoren von Business-Applications, sondern über die viel kritischere, viel ungeduldigere Mehrheit von Couchgarnitur- und Fernsehsessel-Besitzer.

In diesem Zusammenhang ganz lustig zu lesen: Meine kleine Analyse für Apple Deutschland vom 14.07.2004 (ja, zweitausendvier) und im Vergleich dazu ein aktueller silicon.de-Artikel zum Thema Mac-Diskriminierung.

(Und auch interessant: allfacebook.de | Wusstest du schon … Siri aktualisiert die eigene Facebook Page )

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2. paper.li

Für Digital Visitors, also für Menschen, denen die eher passive Nutzung des Web 1.0 völlig ausreicht, ist Xing oder LinkedIn häufig das Maximum an „Social-Media“-Engagement. Facebook und Google+ bereiten als zusätzlich zu pflegende Kommunikationskanäle bloß Mühe und hinsichtlich der Privatsphäre latentes Unbehagen. Und dieses Twitter-Gedöns ist ja sowieso nur was für Selbstdarsteller, die der Welt mit 140 Zeichen mitteilen wollen, was sie sich gerade auf´s Brötchen schmieren.

Letzteres entsprach durchaus auch mal meiner Vorstellung und war somit an Ignoranz kaum zu überbieten. Twitter als Nachrichtendienst zu begreifen und zu schätzen hat aber nicht unbedingt twitter selbst geschafft, sondern mehr noch paper.li. Meine tägliche Zeitung, die sich ganz automatisch aus all den Twitter-Quellen speist, denen ich folge. Kein Google-Algorithmus, sondern Menschen, deren Links und Meinungen mich informieren und inspirieren. Nicht als statisch-mathematischer Nachrichtenstrom, sondern als subjektive, häufig mit Leidenschaft für´s Thema getragene Info-Empfehlung – täglich genau dann, wenn ich so etwas lesen möchte.

3. Fruitwash, Carabiner Key und Thermo-Pappe …

… und  noch mehr geniales Gedöns unter Amron Experimental.

Ideen, zu denen Artur Fischer vielleicht gesagt hätte „ … Wenn ich hier im Unternehmen etwas anbiete, heißt es oft: da müssen wir erst Marktforschung betreiben. Ich sage: Womit denn? Das, was ich jetzt in der Hand habe, das haben Sie doch gar nicht. Wenn ich mich auf die Wiese stelle und sage: Hallo, lieber Markt, was brauchst du denn – der sagt mir gar nichts. Ich muss dem Markt etwas anbieten und dann entscheidet der Markt, ob es richtig ist oder falsch.. …“ Artur Fischer (über 1.000 Patente u. a. für die Fischerdübel) im Interview mit der Technology Review 11/2007

   

  1. Nachtrag Gedöns: http://bit.ly/urIxKo

    „Klo to go“ für Castorpolizisten – Panorama | STERN.DE

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